Piaggio X10 350 – weniger ist mehr
Irgendwie ist es ja nur schwer nachvollziehbar: Nachdem sich bis anhin nur wendige Hersteller intensiv um das Segment der Maxi-Scooter bemüht haben, sind nun plötzlich alle da. Nach Aprilia, BMW, Honda, Kymco und Yamaha lässt nun auch Piaggio ein komplett neues Roller-Flaggschiff vom Stapel laufen – oder korrekt sogar deren drei. Der neue X10 wird mit 500er-, 350er- und 125er-Motoren produziert. Doch weil die 125er-Variante für einen Scooter dieses Kalibers dem Schweizer Importeur als zu schwachbrüstig erscheint, werden hierzulande lediglich die beiden stärker motorisierten Modelle angeboten. Im Gegensatz zu den meisten anderen Maxis begnügen sich diese mit nur einem Zylinder, was jedoch nicht zwingend ein Nachteil sein muss, wie eine erste kurze Testfahrt anlässlich der Pressevorstellung in Paris zeigte. Antischlupfregelung
Bezüglich Ausstattung lässt der X10 kaum Wünsche offen, das zeigt bereits ein Rundgang um das stehende Fahrzeug. Grosse Windschutzscheibe, seitliche Klarsichtdeflektoren und lange, breite Fussflächen versprechen guten Wetterschutz. Im überdurchschnittlich grossen Staufach unter der Sitzbank ist ausreichend Platz für zwei Integralhelme und mehr. Als nettes, aber nicht wirklich notwendiges Gadget erscheinen uns die hinterleuchteten Symbole der Lenkerarmaturen. Wesentlich nützlicher sind dagegen die 12-Volt-Steckdose und der USB-Anschluss als Stromversorgung für Navi, Smartphone, MP3-Player und so weiter. Beide befinden sich in unterschiedlichen Handschuhfächern des breiten Beinschilds. Clever gelöst ist auch die Funktionsweise der Feststellbremse, welche automatisch mit dem Ausklappen des Seitenständers aktiviert wird und dadurch das Wegrollen des abgestellten Fahrzeuges auf abschüssiger Fahrbahn verhindert. Mit Dual-ABS, Antischlupfregelung und in der 500er-Version mit per Knopfdruck einstellbarem Federbein hinten hat der X10 auch in technischer Hinsicht mehr zu bieten als viele andere Maxi-Scooter.
Ob der optische Eindruck hält, was er verspricht, zeigt die Probefahrt. Leider ist das effektive Flaggschiff, der X10 500, erst ab Juli verfügbar. Für unsere kurze Testfahrt müssen wir uns deshalb mit dem X10 350 begnügen, dessen effektiver Hubraum jedoch lediglich 330 ccm misst. Nun, für eine kurze Runde durch den hektischen Verkehr der französischen Metropole ist die schwächere Motorvariante ausreichend, zumal auf dem regennassen Kopfsteinpflaster und den glitschigen Zebrastreifen Vorsicht geboten ist. Doch genau hier und bei solchen Bedingungen kann die Frage nach dem Sinn einer Antischlupfregelung für ein lediglich 33,3 PS starkes Fahrzeug klar mit Ja beantwortet werden. Die elektronische Fahrhilfe reguliert das zum Durchdrehen neigende Antriebsrad jederzeit souverän und kaum wahrnehmbar. – Ähnlich unspektakulär und wirkungsvoll verhindert das Dual-ABS das Blockieren der Räder bei einer Vollbremsung. Das Verbundsystem verteilt die Bremskraft immer auf beide Räder, wobei je nach Zug am Vorder- oder Hinterrad-Bremshebel dem entsprechenden Rad die stärkere Bremswirkung zugeordnet wird. Das System funktioniert perfekt. Lediglich die Dosierung an den für lange Finger konzipierten und nicht verstellbaren Bremsgriffen lässt zu wünschen übrig. Eco-Modus anwählbar
Mit 196 kg ist der X10 350 wesentlich leichter als alle Zwei-Zylinder-Maxis. Dadurch kann er beim Beschleunigen an der Ampel überraschend gut mithalten. Im mittleren Bereich lässt er jedoch nach, und über 100 km/h sprinten ihm stärker motorisierte Kontrahenten davon. Die Höchstgeschwindigkeit von angeblich rund 140 km/h konnte aufgrund der Streckenwahl nicht ermittelt werden. Per Knopfdruck lässt sich ein Eco-Modus anwählen, der die Leistung und den Benzinverbrauch reduzieren soll. In der Praxis ist der Leistungsverlust kaum wahrnehmbar. Dafür werden beim Fahren weitgehend alle eingangs erwähnten optischen Eindrücke positiv bestätigt. Die Ergonomie für Fahrer und Sozius passt sehr gut.
Der neue X10 350 hat zweifellos das Format eines echten Maxi-Scooters, und das zu einem interessanten Preis von 8495 Franken. Bezüglich Leistung kann er mit den diversen neuen Zwei-Zylinder-Mitbewerbern jedoch nicht ganz mithalten. Letzteres gelingt eventuell eher dem stärker motorisierten Schwestermodell Piaggio X10 500.
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